Die Baffin Bay – ein arktisches Randmeer mit bedeutenden Erdöl-/Erdgas-Vorkommen?
Ergebnisse der BGR-Forschungsfahrt ARK-XXV/3 mit FS Polarstern (1.8.-9.10.2010)
Hauskolloquium am Dienstag, den 22. November 2011 um 10°° Uhr im Großen Sitzungssaal des Hauses.
Moderation: Volkmar Damm
Logo der BGR-Forschungsfahrt ARK-XXV/3 mit FS Polarstern
Quelle: BGR
Die Arktis gehört zu den am wenigsten erforschten Regionen der Erde. Trotz des geringen Erkundungsstandes werden nach einer Studie des USGS aus dem Jahr 2008 auf Grundlage probabilistischer Schätzungen 22% aller weltweit bislang noch unentdeckten Öl- und Gasvorkommen in der Arktis vermutet.
Geologische Basisdaten für die Arktis und ihre Randmeere sind derzeit nur lückenhaft vorhanden, die Vorstellungen zur geologischen Entwicklung vieler Teilgebiete lassen noch zahlreiche Fragen offen. Speziell die bislang vorliegenden plattentektonischen Rekonstruktionen für die Baffin Bay-Nares Strait Region zwischen Westgrönland und der Nordostküste Kanadas werden kontrovers diskutiert. Dementsprechend sind die Höffigkeitsabschätzungen für diese Region sehr unsicher.
Mit einem breiten Spektrum an marin-geowissenschaftlichen Methoden hat die BGR während einer 10-wöchigen Forschungsfahrt mit dem Eisbrecher POLARSTERN strukturelle und stoffliche Untersuchungen in der nördlichen Baffin Bay vor Westgrönland vorgenommen, deren Ergebnisse zum Verständnis der Sedimentbeckenentwicklung und der Bildungsbedingungen von KW-Lagerstätten entlang des westgrönländischen Kontinentrandes beitragen und bisherige Höffigkeitsabschätzungen präzisieren..
Teilergebnisse hierzu werden nach einer Einführung in folgenden 4 Vorträgen vorgestellt.
Struktur und Geologie des Kontinentalrandes von W-Grönland in der Baffin Bay – Erste Ergebnisse der mehrkanaligen Reflexionsseismik
Martin Block, Volkmar Damm, Kai Berglar , Axel Ehrhardt, Michael Schnabel (BGR), Tabea Altenbernd (AWI)
Die reflexionsseismischen Daten ermöglichen es, Krustenparameter und –strukturen über den Kontinentrand von Disko-Island im Süden bis zum Smith Sound im Norden zu bestimmen.
Die vorläufige Interpretation bestätigt, dass in der Nordhälfte der Baffin Bay ein nicht-vulkanischer passiver Kontinentalrand mit großen, verkippten Grundgebirgsblöcken vorliegt. Dazwischen liegende Halbgräben sind während der Riftphase mit Sedimenten gefüllt worden. Im Tiefseebereich weist das Grundgebirge typische Merkmale ozeanischer Kruste auf. Eine auffällige Erosionsfläche unter dem Schelf und Kontinentalhang endet in diesem Übergangsbereich auf dem Grundgebirge und markiert deshalb den Beginn der Meeresboden-Spreizung.
In der Südhälfte der Baffin Bay ist der passive Kontinentalrand dagegen von vulkanischer Natur. Im Bereich des Schelfs zeigen unsere Seismikprofile unter einer Sedimentbedeckung weiträumige Flutbasalte. Am Fuß des Kontinentalrandes gehen die Flutbasalte über in „Seaward Dipping Reflectors“ (SDR’s), die vulkanische, passive Kontinentalränder kennzeichnen und den Übergang von kontinentaler zu ozeanischer Kruste anzeigen.
Struktur und Geologie des Kontinentalrandes von W-Grönland in der Baffin Bay – erste Ergebnisse der mehrkanaligen Reflexionsseismik
Quelle: BGR
Erste Ergebnisse zur Krustenstruktur in der Baffin Bay aus gravimetrischen, refraktionsseismischen und Wärmestrommessungen
Ingo Heyde, Georg Delisle (BGR), Karsten Gohl, Sonja Suckro (AWI)
Im Rahmen der Forschungsfahrt ARK-XXV/3 und der vorangegangenen Fahrt MSM09/3 mit FS Merian 2008 wurden kontinuierliche seegravimetrische Messungen durchgeführt. Die Karten der Schwereanomalien spiegeln die Hauptstrukturen in der Baffin Bay wider und zeigen unter anderem die Unterschiede der Kontinentränder auf kanadischer und grönländischer Seite. Es wurden Dichtemodelle aus den Schweredaten erstellt, die die bisherigen Ergebnisse der Mehrkanalseismik berücksichtigen. Entlang eines 710 km langen Profiles in der südlichen Baffin Bay wurde ein gemeinsames Modell der Geschwindigkeiten aus der Refraktionsseismik und der Dichte entwickelt. Dieses zeigt die Lage der Paläospreizungszonen und den Übergang von ozeanischer zu kontinentaler Kruste. Wärmestrommessungen weisen ebenfalls auf ozeanische Kruste im zentralen Bereich der Baffin Bay hin.
Hinweise auf thermische Kohlenwasserstoff-Bildung in der Baffin Bay – Erste Ergebnisse der Gasgeochemie
Thomas Pletsch, Stefan Schlömer (BGR)
Im grönländischen Teil der Baffin Bay wurden an über 30 Stationen mit einem knapp 5 m langen Schwerelot Proben aus den Oberflächensedimenten genommen. Zur geochemischen Untersuchung der adsorbierten Kohlenwasserstoff-Gase wurden 42 Proben entnommen und mit einem an der BGR entwickelten Verfahren aufbereitet. Die ersten Ergebnisse zeigen eine hohe Variabilität der Gas-Konzentrationen, die mit Probennahme-Stationen, sowie mit der Sediment-Zusammensetzung korrelieren. Die größten Konzentrationen wurden an Stationen gemessen, die am Nordrand des Beckenzentrums liegen. Das Verhältnis der stabilen Kohlenstoff-Isotope von Ethan und Propan zeigt einen Trend, der auf ein Ausgangsmaterial mit überwiegend marinem organischen Material (Kerogentyp II) schließen lässt. Dieses marine Muttergestein hat eine Reife erlangt, die zur Erdölbildung ausreicht. Mitteleozäne Schwarzschiefe kommen als potenzielles Muttergestein infrage. Eine vorläufige 1D-Simulation der thermischen Reife unter der Annahme einer für ozeanische Kruste typischen Wärmefluss-Geschichte hat bisher keine Übereinstimmung mit den gemessenen Reifewerten ergeben.
Zusammensetzung und Aktivität mikrobieller Gemeinschaften in Sedimenten der Baffin Bay und ihre mögliche Bedeutung für KW-Bildung und -Abbau
Friederike Gründger, Martin Krüger(BGR), Camelia Algora, Lorenz Adrian (UFZ)
Während der Polarsternfahrt ARK-XXV/3 wurden entlang mehrerer Transekte bis zu 4 m lange Sedimentkerne mit einem Schwerelot gewonnen. Neben der geochemischen und mineralogischen Analyse der so gewonnenen Sedimentproben, liegt ein Schwerpunkt auf mikrobiologischen Untersuchungen der Aktivität und Zusammensetzung der vorhandenen Gemeinschaften, da es aus diesem weiträumigen arktischen Gebiet bisher keine Daten gab. Bei den Untersuchungen liegt der Fokus auf mikrobiellen Prozessen und Organismen, welche an der Bildung sowie dem Abbau von Kohlenwasserstoffen beteiligt sind. Dies soll zusammen mit den Ergebnissen aus der organischen und Gasgeochemie sowie der Mineralogie zur Einschätzung der Höffigkeit des untersuchten Gebietes beitragen. Erste Ergebnisse zeigen relativ große und diverse Mikroorganismengemeinschaften. In vielen, besonders tieferen Sedimentproben konnte zudem die mikrobielle Bildung sowie auch der Abbau von Methan nachgewiesen werden. Einzelne Proben zeigen auch das Potential zum Abbau höherer Kohlenwasserstoffe.