Radioaktive und sauerstoffproduzierende Manganknollen am Meeresboden: Hintergründe aus aktuellen Studien
Hauskolloquium am Dienstag, den 25. Februar 2025 um 10°° Uhr im Großen Sitzungssaal des Hauses
Moderation: Christian Müller
Einleitung
Es werden zwei aktuelle Studien vorgestellt, welche sich mit der natürlichen Radioaktivität und der (dunklen) Sauerstoffproduktion von Manganknollen in der lichtlosen Tiefsee beschäftigen. Beide Themen wurden (und werden) in der Wissenschaft als auch in der allgemeinen Öffentlichkeit kontrovers diskutiert.
Feld mit Manganknollen in der Clarion-Clipperton Zone im Zentralpazifik
Quelle: BGR
Lüttke, T., Kuhn, T., Vink, A., Rühlemann, C., Kunze, C., Flesch, K.: Risikobewertung der natürlichen Strahlung von Manganknollen – Abschätzung effektiver Dosen für einen kommerziellen Bergbau
Manganknollen aus der Tiefsee reichern während ihres Wachstums natürlich vorkommende Radionuklide an und sind daher rechtlich als Materialien mit natürlich vorkommender Radioaktivität (engl. Naturally Occurring Radioactive Materials – NORM) einzustufen. Obwohl die Radioaktivität seit über 100 Jahren bekannt ist, sorgte 2023 eine Veröffentlichung von Wissenschaftlern des Alfred-Wegener-Instituts1 für großes Aufsehen in den Medien: Sie analysierten in den Knollen enthaltene Alphastrahler und verglichen die Radioaktivität mit den Grenzwerten der deutschen Strahlenschutzverordnung, anstatt die tatsächliche Strahlenbelastung für exponierte Personen zu ermitteln, wie es der Gesetzgeber vorsieht. Aus den Ergebnissen leiteten die Autoren massive Gesundheitsgefahren für den Laborbetrieb und einen kommerziellen Tiefseebergbau ab.
Als Reaktion darauf beauftragte die BGR die IAF-Radioökologie GmbH mit einer Studie zur Analyse der radiologischen Eigenschaften von Manganknollen im Hinblick auf den Strahlenschutz, zur Bewertung der Laborarbeitsplätze sowie zur Abschätzung der effektiven Dosen für einen möglichen zukünftigen industriellen Bergbau. Die Ergebnisse zeigen, dass bei Beachtung gängiger Arbeitsschutzmaßnahmen und einem entsprechenden Arbeitsplatzdesign die effektive Dosis unter dem Referenzwert von 1 mSv pro Jahr bleibt. Selbst ohne Arbeitsschutzmaßnahmen liegt die potentielle Dosis für Personen weit unter dem Grenzwert von 20 mSv pro Jahr. Für Arbeiten im Labormaßstab, wie sie in der BGR und anderen Forschungseinrichtungen durchgeführt werden, wird selbst bei einer hypothetischen Expositionszeit von 2000 Stunden pro Jahr (8 Stunden pro Tag an 250 Arbeitstagen), der Wert von 1 mSv nicht überschritten. Die Ergebnisse der Radionuklidanalysen wurden bereits veröffentlicht2; eine weitere Studie zur Abschätzung der effektiven Dosen wurde zur Publikation eingereicht.
Fuchs, S. & Kuhn, T.: Die Produktion von dunklem Sauerstoff in der Tiefsee: Analyse und Einschätzung einer neuen Studie
Im Juli 2024 wurde in der Fachzeitschrift Nature Geoscience eine Studie3 veröffentlicht, die eine unerwartete Entdeckung zur Sauerstoffproduktion am Tiefseeboden präsentiert. Die Forschungsgruppe um Andrew Sweetman, Erstautor der Publikation, an der auch BGR-Autoren beteiligt sind, führte Experimente mit sogenannten Benthoskammern am Meeresboden des Manganknollengürtels in der Clarion-Clipperton-Zone im Pazifik durch. An mehreren Orten wurde über einen Zeitraum von mehreren Tagen eine erhöhte Sauerstoffproduktion gemessen, die das Dreifache der üblichen Hintergrundkonzentration erreichte. Die beobachte "dunkle" Sauerstoffproduktion ("Dark Oxygen Production", ohne Photosynthese) widerspricht der allgemeinen Annahme, dass Sauerstoff in der Tiefsee nur verbraucht, aber nicht erzeugt wird. Laborexperimente unter verschiedenen Bedingungen, etwa durch die Zugabe von HgCl2 deuten darauf hin, dass die Bildung von Sauerstoff abiotisch erfolgt und durch die Anwesenheit von Manganknollen gesteuert wird. Eine mögliche Erklärung ist, dass Manganknollen als natürliche "Geobatterien" wirken, indem sie elektrische Spannungen erzeugen, die ausreichen könnten, um Meerwasser mittels Elektrolyse in Sauerstoff und Wasserstoff zu spalten. Um diese Hypothese zu testen, wurde das elektrische Potential an zahlreichen Knollen gemessen und ein Maximum von 0,95 V festgestellt.
Die zur Elektrolyse notwendige Spannung von 1.23 V konnten die Autoren nicht nachweisen. Dennoch könnten katalytische Effekte der Minerale, Gitterfehlstellungen und große interne Oberflächen diesen Prozess begünstigen.
Die Studie erregte große Aufmerksamkeit in der wissenschaftlichen Gemeinschaft und der Öffentlichkeit, stieß jedoch auch auf scharfe Kritik. Kritisiert wurden methodische Mängel und mögliche Fehlinterpretationen. Diese Präsentation soll den wissenschaftlichen Hintergrund der aktuellen Studie erläutern und Einblicke in die zunehmend kontroverse Diskussion zum Thema geben.
Referenzen:
1 Volz, Jessica B.; Geibert, Walter; Köhler, Dennis; van der Loeff, Michiel M. Rutgers; Kasten, Sabine (2023): Alpha radiation from polymetallic nodules and potential health risks from deep-sea mining. In: Scientific Reports 13 (1), S. 7985. DOI: 10.1038/s41598-023-33971-w.
2 Kunze, Christian; Hummrich, Holger; Lüttke, Thomas; Flesch, Klaus; Arndt, Robert; Krzikalla, Annegret et al. (2024): Full radionuclide analysis of polymetallic nodules from the Clarion-Clipperton-Fracture Zone in the NE Pacific. In: Applied Geochemistry 175, S. 106165. DOI: 10.1016/j.apgeochem.2024.106165.
3 Sweetman, Andrew K.; Smith, Alycia J.; de Jonge, Danielle S. W.; Hahn, Tobias; Schroedl, Peter; Silverstein, Michael; Andrade, Claire; Edwards, R. Lawrence; Lough, Alastair J. M.; Woulds, Clare; Homoky, William B.; Koschinsky, Andrea; Fuchs, Sebastian; Kuhn, Thomas; Geiger, Franz; Marlow, Jeffrey J. (2024): Evidence of dark oxygen production at the abyssal seafloor. Nature Geoscience, 17, 737-739, DOI: 10.1038/s41561-024-01480-8
Über den Meeting-Link beitreten:
https://bgr-bund.webex.com/bgr-bund/j.php?MTID=m4839690b1112c9252edf010481f98edc ; Meeting-Kennnummer (Zugriffscode): 2742 854 7171 Meeting Passwort: pcXMBRCv432