BGR-Beiträge zur Fachkonferenz Teilgebiete vom 05. – 07.02.2021
Vortrag: Prognosen und Ausschlussgebiete für zukünftig zu erwartende vulkanische Aktivität
Dr. Franz May (Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Hannover)
Kurzbeschreibung:
Bei der Anwendung des Ausschlusskriteriums „Vulkanische Aktivität“ hat man sich im Zwischenbericht Teilgebiete auf die Verbreitung der Eruptionszentren quartärer Vulkane, das heißt den Vulkanismus der letzten 2,8 Millionen Jahre beschränkt.
Der Vulkanismus ist zudem nur die oberflächennahe Erscheinung weit- und tiefreichender sowie langlebiger geodynamischer und magmatischer Prozesse. Der junge Vulkanismus in Mitteleuropa reicht bis ins frühe Tertiär (Beginn vor 65 Mio. Jahren) zurück. Daher stellen sich Fragen zur Berücksichtigung dieser früheren vulkanischen Aktivität für die Festlegung von Ausschlussgebieten:
- Ist der quartäre Vulkanismus als eigenständig anzusehen oder auch nur eine Periode innerhalb einer längerfristigen Entwicklung in der es zeitlich und räumlich zur Konzentration von Ausbrüchen kam, unterbrochen von Ruhephasen?
- Sind weitere Ausbrüche in den Gebieten mit tertiärem Vulkanismus oder die Entstehung neuer Vulkanfelder möglich?
Die International Atomic Energy Agency (IAEA) betrachtet in ihren Sicherheitsstandards für kerntechnische Einrichtungen Regionen, in denen vulkanische Aktivität in den vergangenen 10 Millionen Jahren auftrat, als solche mit Potenzial für zukünftige Aktivität. Bei einer Expertenbefragung unter Wissenschaftlern, die sich mit dem Vulkanismus in Deutschland beschäftigen, war die Mehrzahl der befragten Personen der Ansicht, dass die präquartären Vulkanfelder bei Prognosen zukünftigen Vulkanismus von Bedeutung sind. Bei der Frage erneuter Ausbrüche in diesen Gebieten ist das Meinungsbild geteilt.
Räumlich gesehen kann die Verbreitung der Vulkanite an der Erdoberfläche mit der „Spitze des Eisbergs“ weiter ausgedehnter magmatischer Prozesse im oberen Erdmantel und in der Lithosphäre angesehen werden. Eine Reihe von Phänomenen und geophysikalischen Eigenschaften sind mit dem Vulkanismus verbunden, so zum Beispiel der Austritt von Gasen aus dem Erdmantel an der Erdoberfläche. Deren Verbreitung reicht über die Verbreitung der quartären Vulkanfelder hinaus. Auch wenn die ursächlichen Beziehungen dieser Phänomene und Eigenschaften noch Gegenstand der Forschung sind, so ist deren weltweit zu beobachtende Koinzidenz kein Zufall:
- Welche dieser Phänomene und Eigenschaften sind eine Folge vergangener Ausbrüche und welche als Indikatoren für zukünftige Vulkanische Aktivität geeignet?
Die geologischen Dienste Deutschlands haben sich für die Berücksichtigung weiterer Indikatoren und eine Ausweitung der Ausschlussgebiete ausgesprochen. Das ist aus Sicht der Wissenschaft nachvollziehbar. Daraus ergeben sich aber weitere Aufgaben die zu lösen sind:
- Welche Parameter beschreiben die Indikatoren und ist die Datenlage dazu ausreichend?
Wenn auf der Grundlage dieser Indikatoren Ausschlussgebiete kartiert werden sollen, ergibt sich die Notwendigkeit, Schwellenwerte festzulegen und die räumliche Repräsentativität von Beobachtungen und Messungen, (die Ausdehnung von „Einflussbereich“) zu bestimmen. Je nachdem, welche Indikatoren, Parameter und Schwellenwerte gewählt werden, können recht unterschiedlich große Gebiete betroffen sein. Semiquantitative, multikriterielle Ansätze zur Differenzierung von Gebieten, in denen zukünftige vulkanische Aktivität erwartet wird, sind eine Option zur Kartierung weiterer Ausschlussgebiete. Die Ausdehnung der Gebiete wird aber davon abhängen, ob dem Vorsorgeprinzip entsprechend eher ein weiter Bogen um möglicherweise gefährdete Gebiete gemacht werden soll, oder ob man Restrisiken angesichts von Daten- und Kenntnisslücken in Kauf nehmen möchte, um nicht vorschnell mögliche Gebiete auszuschließen. In dieser Frage gehen die Meinungen unter den befragten Wissenschaftler/-innen auseinander.