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III/12: Die Organomarsch – wenig beachteter Kohlenstoffspeicher mit viel Schwefel

Das Sammlungsobjekt des Quartals

Im Rahmen der geologisch-bodenkundlichen Landesaufnahme erfolgt zurzeit eine Neubearbeitung der niedersächsischen Küstenlandschaft - der Marsch. Hierbei wird eine besondere Aufmerksamkeit auf die Organomarschen gelegt. Die Organomarsch ist ein außergewöhnlicher Boden. Im Ausgangsgestein finden sich eingebettet im Ton zahlreiche Pflanzenreste des Schilfs. Diese Pflanzenrückstände bezeugen ein Entstehungsmilieu, das vor etwa 4000 bis 2000 Jahren vor heute weite Teile unserer Küstenlandschaft prägte.

Zwischen der Küstenlinie und dem Binnenland erstreckte sich ein bis zu 20 km breiter Schilfgürtel. Dieser konnte entstehen, weil die Unterschiede zwischen Ebbe und Flut geringer ausgeprägt waren als heute und das Salzwasser der Nordsee landeinwärts durch den Niederschlag und die aus dem Binnenland ablaufenden Wässer ausgesüßt wurde. An eine Zone mit tieferem Brackwasser schloss sich eine lagunäre Flachwasserzone mit Salzgehalten unter 1 % an. Ideale Bedingungen für das Schilfwachstum. Bei nur geringem Meeresspielanstieg wurden die Pflanzenreste über die Jahre in dem neu abgelagerten Ton eingeschlossen. Ging der Meeresspiegel zurück, setzte Torfwachstum ein. Vergleichbare Bildungsbedingungen finden sich heute nicht mehr.

Die Organomarsch entsteht aus diesen lagunären und torfigen Ablagerungen. Das abgebildete Lackprofil aus der Lackprofile-Sammlung des LBEG zeigt mit der Schichtung von den unteren dunklen (1) über die hellgrauen tonigen (2) zu den dunkelbraunen torfigen (3) Ablagerungen eine typische Sedimentationsfolge der lagunären Sedimente. Der schwarze Horizont (4, Dwog ) markiert eine alte Landoberfläche. Darüber schließen hellbraungraue Tone (5) die Sedimentationsfolge ab. Im oberen Bereich ist der heutige Humushorizont zu erkennen (6). Wie die Niedermoore sind die Organomarschen mit 8 bis 30 % humosen Bestandteilen ein bedeutsamer Kohlenstoffspeicher und ein Archiv für die Landschaftsentwicklung.

Eine weitere Besonderheit der Organomarsch: Neben dem organischen Material und dem Ton wurde auch der aus dem Meerwasser stammende Schwefel angereichert. Die Schwefeldynamik ist in der Organomarsch ein typischer wie gleichsam komplexer chemischer Vorgang. Dabei wird der aus dem Meerwasser stammende Schwefel unter sauerstoffarmen Bedingungen festgelegt. Das dadurch verfügbare Sulfat wird von Mikroorganismen zum Abbau der organischen Substanz genutzt und in diesem Zuge zu Schwefelwasserstoff oder Pyrit reduziert. Bei den hohen Grundwasserständen und reduzierenden Bedingungen kommt es auch im Boden der Schilfbestände zur Pyritbildung. In den Organomarschen werden 2 - 4 Gewichtsprozent Schwefel gemessen.

Durch Pumpwerke wird das tiefliegende alte Marsch- und Moorland bis heute anhaltend entwässert, um eine landwirtschaftliche Nutzung zu ermöglichen. Durch die Entwässerung kommt es zu Absenkungen der Landoberfläche. Nach Entwässerung bietet die Organomarsch noch eine besondere Überraschung: Durch die Belüftung des Bodens bildet sich Schwefelsäure. Dadurch wird zunächst - sofern vorhanden - der Kalk gelöst. Ist der Kalk aufgebraucht, sinken die pH-Werte des Bodens auf mitunter < 2 - ein extrem saures Milieu. Sichtbares Merkmal für diese Bedingungen ist der Jarosit, volkstümlich Maibolt. Dieser ist im Profil gut anhand der hellgelben Farbe (7) erkennbar. Die Schwefelsäurefreisetzung erfolgt auch, wenn durch Pflügen oder durch Baumaßnahmen das reduzierte Material der Organomarsch an die Oberfläche kommt. Dann ist besondere Aufmerksamkeit geboten. Die Verbreitung der potenziell sulfatsauren Böden ist im Kartenserver des LBEG dargestellt. Die Ableitung, die Bedeutung und mögliche Maßnahmen sind in den Geofakten 24 und 25 beschrieben.

Weitere Informationen:

Böden in Niedersachsen - online

Geofakten 11 (70 KB): BOESS, J., DAHLMANN, I., GUNREBEN, M. & MÜLLER, U. (2002): Hinweise zur Umsetzung der Archiv-funktion im Bodenschutz. - 6 S.; Hannover.

Geofakten 24 (556 KB): SCHÄFER, W., GEHRT, E., MÜLLER, U., BLANKENBURG, J. & GRÖGER, J. (2010): Sulfatsaure Böden in niedersächsischen Küstengebieten. - 9 S., 4 Abb., 1 Tab.; Hannover.

Geofakten 25 (315 KB): SCHÄFER, W., PLUQUET, E., WEUSTINK, A., BLANKENBURG, J. & GRÖGER, J. (2010): Handlungsempfeh-lungen zur Bewertung und zum Umgang mit Bodenaushub aus (potenziell) sulfatsauren Sedimenten. - 8 S., 4 Abb., 2 Tab.; Hannover.

Steckbrief Boden des Jahres 2012: Niedermoor

Übrigens: Die BGR unterhält Sammlungen in Berlin und Hannover, hier in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG). Sie gehören zu den großen geowissenschaftlichen Sammlungen in Deutschland.

Kontakt

    
Dr. Ernst Gehrt
Tel.: +49-(0)511-643-3601
Fax: +49-(0)511-643-533601

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